Ostern 2022 war seit vielen Jahren das erste Mal, daß kein Gottesdienst auf dem Dachboden, als Kapelle genutzt, stattfand. Also keine Gemeinde mehr im Romero-Haus? Als vor 38 Jahren die jüngere der beiden Gemeinden ins Romero-Haus einzog, waren Welt und Kirche noch anders, und natürlich die Leute selbst 38 Jahre jünger als heute. Um es vorwegzunehmen: beide Gemeinden gibt es 2022 noch. Als Peergroup-Gemeinde wird mensch miteinander alt und allein deshalb eignen sich die Räumlichkeiten im 3. Stock mit dem engen Treppenhaus nicht mehr. Von wegen barrierefrei!
Manchen ist es (noch) wichtig, christliche Gottesdienste zu feiern, andere haben heute ihre religiöse Praxis im Buddhismus, leben ihre je eigene Spiritualität individuell oder haben sich vom Thema Glauben ganz abgewendet. Da ist Gottesdienst nicht mehr die richtige Form, alte (persönliche) Verbundenheit zu pflegen; Plätzchenbacken ist da unverfänglicher und bietet Gelegenheit, für den persönlichen Austausch.
Und die politische Option? Vor 40 oder 30 Jahren war es die Befreiungstheologie, die diese Gemeinden von den etablierten Kirchen unterschied, auch das Engagement in der damaligen Friedensbewegung oder auf den Kirchtagen von unten. Die Biographien gingen weiter, politische „Optionen“ waren bald nicht mehr so einhellig wie damals im Studierendenalter. Auch hier mag Gottesdienst nicht mehr die geeignete Form sein, wenn politische Meinungen dann in Fürbitten verpackt unwidersprochen stehen bleiben müssen. Auch hier vielleicht das unverfänglichere Plätzchenbacken?
Beide Gemeinden stellten langjährige Vorstandsmitglieder im Förderverein. Die „jüngere“ Gemeinde im Romero-Haus finanziert dauerhaft zwei Mitglieder im Verein aus ihren Reihen. Irgendwie den Fuß in der Tür behalten, mag die Motivation sein. Die Gelegenheit, bei der Enthüllung der Gedenktafeln außen (Romero-Haus) und innen (Martin Huthmann) ehemalige und aktuelle Bewohner*innen ins Gespräch zu bringen, hat Corona zunichte gemacht. Vor zwei Jahren hat der Vorschlag für ein antrassistisches Wandbild nochmal die (alten) Gemüter erhitzt. Noch einmal flammte die Diskussion auf, ob die christliche Prägung des Hauses nicht auch außen sichtbar sein müsse. Die in diesem Jahr zu erwartende Rampe genau vor diesem Wandbild hat dann auch diese Diskussion schließlich überholt.
Spiritualität ist diverser geworden, auch im Romero-Haus. Nicht mehr die Hälfte der Bevölkerung gehört 2022 in der Bundesrepublik noch einer christlichen Kirche an. War vor 40 Jahren eine befreiungstheologische, linke Kirche noch Garantin für den Schrei nach Gerechtigkeit und Menschenrechten, muß sich die Institution Kirche heute mit der Aufarbeitung eigener Schuld beim Thema Mißbrauch beschäftigen.
Soweit der Blick zurück. Den Blick nach vorne hat dann eine andere Generation zu skizzieren…
Wolfgang Max Abdullah Lobao